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Die Macht am Rednerpult oder 101 Kühe - Ethik, Teil II


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Anlässlich eines Symposiums zum Thema Wirtschaftsethik waren zwei Redner geladen. Ein Mann und eine Frau. Er, ein Wirtschaftsführer - erfolgreich, etabliert, eloquent. Sie, eine Frau, die es zu hohen akademischen Würden gebracht hat – erfolgreich und etabliert, ja, aber nicht unbedingt eloquent.


Der Wirtschaftsführer kam zuerst. Er sprach frei, stand frei und wusste genau um die Wirkung seines Aussehens und seiner Worte.


Ganz anders die Wissenschaftlerin. Ihre Körperhaltung, die leise Stimme und eine gewisse Unbeholfenheit signalisierten, dass sie eigentlich gar nicht am Rednerpult stehen wollte (sondern dort eher Zuflucht suchte). Schwierig für sie, nach ihrem Vorredner aufzutreten, dessen geschliffenes Wirtschaftsvokabular und souveräne Vortragsweise alle beeindruckt hatten. Nachdem man sich an ihre eher leise Stimme und ihre sparsame Sprache gewohnt hatte, begann man sich auch zusehends für den Inhalt ihrer Ausführungen zu interessieren. Aber plötzlich hörte man ihr gebannt zu, denn sie zog ihr Publikum in eine Geschichte hinein – eine einfache, kurze Geschichte, mit der sie in ein paar Worten erklärte, was Ethik ist:


"In einem Dorf gibt es 100 Bauern, die vereinbart haben, dass jeder täglich eine Kuh auf die Allmend* schicken darf. Das funktioniert über einen längeren Zeitraum sehr gut. Eines Tages jedoch sieht ein Bauer, wie der Nachbar nicht nur eine Kuh, sondern zwei Kühe in die vorbeiziehende Herde drängt. Er traut seinen Augen nicht, möchte aber ganz sicher gehen. Also steht er am nächsten Morgen um dieselbe Zeit wieder am Fenster und siehe da: Wiederum sind es zwei Kühe, die der Nachbar aus dem Stall lässt. Der Bauer ist empört, jedoch nicht lange. Sehr bald nämlich kommt ihm eine Idee: "Wenn das mit den zwei Kühen bisher bei meinem Nachbarn gut gegangen ist, dann wird es sicher nichts ausmachen, wenn auch ich täglich eine zweite Kuh auf die Allmend schicke." Gedacht, getan - und so sind es nun 102 Kühe, die die selbe Weide beanspruchen. Natürlich bleibt das nicht unbemerkt, und so gibt es jede Woche mehr Kühe auf der Weide. Für 100 Kühe spendete sie reichlich Nahrung, aber für 120, 130 oder gar 150 jedoch bald nicht mehr, und die Allmend wurde unbrauchbar.

Und so bricht ein System zusammen, dessen Basis Anständigkeit, Ehrlichkeit und Vertrauen waren.“


Allmend* = schweizerisch für Almwiese


"Ethik, meine Damen und Herren", schließt die Rednerin ihren Vortrag ab, "ist also ganz einfach: es ist nicht die Menge der Kühe, die die Allmend ruiniert, sondern es ist die 101. Kuh. Ein Einzelner, der das System unterwandert, genügt, um es zusammenbrechen zu lassen."


Der Applaus war lange und herzlich, aber das schönste Kompliment hat die Vortragende gar nicht mitbekommen. Während der drei Tage des Symposiums sind nicht ein einziges Mal die geschliffenen Worte des Wirtschaftsführers zitiert worden, aber viele haben immer wieder von der 101. Kuh gesprochen.


Aus dem Buch „Story Power“ von Vera F. Birkenbiehl


Der Konflikt zwischen WOLLEN und DÜRFEN ist ein ethischer Konflikt.


Und jeder Mensch, jeder (Ehe)-Partner, jeder Mitarbeiter und natürlich jede Führungskraft muss diese Unterscheidung treffen.


Mehr zum Thema „Ethik im Verkauf“ erleben Sie in meinem Trainingsmodul „(Neu)-Kunden gewinnen – vom ersten Kontakt zum ersten Auftrag“.


Bleiben Sie gespannt – ich freue mich auf Sie!


 
 
 

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