Wish you were here ...
- Sabine Grohmann-Kurz

- 19. Jan. 2021
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. Okt. 2022

Vielleicht kennen Sie dieses Bild, liebe Leser. Es ist das Cover des Albums „WISH YOU WERE HERE“ der englischen Band Pink Floyd aus dem Jahr 1975. Die beiden Herren auf dem Bild reichen sich die Hände, halten fest an einem Ritual, obwohl absoluter Ausnahmezustand ist. Denn einer der beiden steht in Flammen.
Händeschütteln baut Brücken. Leider auch für Krankheitserreger. Daher habe ich seit März des Vorjahres niemandem mehr zur Begrüßung oder zum Abschied die Hand gegeben. Dabei kann man doch so viel herausspüren aus einem Händedruck. Ein westliches Kulturgut ist es und hatte bereits im Römischen Reich Tradition. Aus epidemiologischer Sicht ist der Handschlag bedenklich und vermeidenswert. Jetzt, wo auch durch den Handschlag die Gefahr einer Ansteckung mit der Lungenkrankheit Covid-19 latent ist, wurde dieses Kulturgut ziemlich schnell und ziemlich geräuschlos beerdigt. So schnell ändert sich also unsere Leitkultur!
Was nun löst es in uns aus, wenn Hände sich für einige Sekunden finden, umfassen, und, oft begleitet von einem rhythmischen Schütteln, wir uns spüren? Diese Berührung triggert Hormone, die ein Gefühl der Verbundenheit schaffen. In der westlichen Welt gilt beim Händeschütteln ein kräftiger Händedruck als Zeichen für Selbstbewusstsein, Kraft und Willensstärke. Ein zu kurzes/langes/festes/lockeres/schwitziges/schlappes/heißes/kaltes Handumfassen kann den Eindruck von einem Menschen nachhaltig prägen. Es gibt „Knochenbrecher“ und „Schraubstöcke“, „Waschlappen“ und sogar „tote Fische“ – und jede dieser vielfältigen Formen erzählt etwas über denjenigen, der die Hand reicht.
Dem Händedruck haben wir seit jeher aber auch viel zugetraut. Sei es als krönender Abschluss eines Geschäfts oder wenn wir mit besonders lieben Menschen zusammen sind, gar nicht aufhören können und, inniglich & sanft, Händchen halten. Das Ineinanderflechten von zwei Händen ist ein Zeichen physischer Präsenz. Man streifte Handschuhe ab und offenbarte sich als Mensch aus Fleisch und Blut. Lediglich Michelangelo ließ es in seinem Gemälde in der Sixtinischen Kapelle nicht so weit kommen, und Gott fasste Adams Hand um Haares Breite nicht. Somit ist Händedruck auch sozialer Druck, und die Schöpfung läuft in diesem Fall ganz Corona-konform kontaktlos ab.
Die aktuell gebräuchlichen und virenärmeren Alternativen zum Kulturgut Handschlag (Verbeugen, Nicken, fist bump, Namaste, Ellenbogen- oder Fußcheck,) wirken allesamt noch etwas unbeholfen. Vielleicht fällt uns ja noch eine viel schönere Art der Begrüßung ein?
Mich beschäftigen noch weitere Fragen:
Werden wir die letzte Generation sein, die noch auf Festivals mit tausenden Menschen war?
Werden wir unseren Enkelkindern erzählen, dass es ganz normal war, in Clubs tanzend, schwitzend, dicht an dicht gedrängt zu sein, und dass andere uns ins Genick geatmet haben?
Und werden uns diese Enkelkinder entsetzt und angeekelt anschauen, wenn wir sagen, dass wir Kerzen auf einen Geburtstagskuchen gesteckt haben, dass einer sie ausgeblasen hat und alle dann von diesem Kuchen gegessen haben – ohne dass wir darüber nachgedacht haben, ob vielleicht ein bisserl Spucke auf dem Kuchen war?
Ohne mich jetzt in die Tiefen von Tröpfchen- und Schmierinfektionen zu manövrieren und eine ausgestreckte Hand als Biowaffe wahrzunehmen, stelle ich (für mich) fest, Hautkontakt ist durch nichts zu ersetzen und körperliche Nähe fehlt mir. Der Mensch braucht Berührung – sonst geht er ein.
So halte ich es mit Pink Floyd, zitiere den Songtext „How I wish, how I wish you were here …” und sende heute ein flammendes Plädoyer für körperliche Nähe.
Irgendwann werden wir wieder mehr Menschen treffen, berühren und mit ihnen gemeinsam bewusst genießen, was uns jetzt so fehlt. Und darauf freu ich mich – richtig!






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